Es kribbelt in meinen Fingern – ich sitze am PC und muss nur noch auf den Button „Buchen“ klicken.
Soll ich – soll ich nicht? Eigentlich habe ich mir die Frage schon längst selbst beantwortet. Klaaaaaaar! Ich habe noch eine Woche Urlaub und ein paar Cents übrig und beschließe, dem grauen Winterwetter in Deutschland für ein paar Tage zu entfliehen.
Die Frage wohin, ist auch schnell geklärt – Florida (USA) soll es sein. Mir als altem „Floridaholic“ wird die Seele schwer, wenn ich nicht einmal im Jahr überprüfe ob denn auch im Sunshine State die Sonne scheint. Dieses Mal habe ich meine Mutter als Reisebegleitung dabei, die für jeden Spaß zu haben ist.
Gesagt getan.
Nun sitze ich hier in einer Eurowings Maschine, die Mama und mich von Düsseldorf nach Fort Myers bringen soll. Fort Myers liegt an der Westküste Floridas, am wunderschönen Golf von Mexiko.
Gaaanz langsam fällt der Stress von mir ab. Obwohl ich wirklich nicht zum ersten Mal im Flieger sitze und meine Passion ja auch zum Beruf gemacht habe, bin ich doch immer etwas aufgeregt, so eine Art Lampenfieber.
Wird alles klappen, wird das Kabinenpersonal nicht streiken, wird die Maschine pünktlich abheben, ist kein Wetterchaos zu erwarten? – ich weiß nicht ob ihr euch diese Fragen stellt, wenn ihr verreist – ich tue es irgendwie jedes Mal.
Im Flieger sitze ich schon einmal, die erste Hürde ist geschafft wobei dies nicht ganz unaufgeregt von statten gegangen ist. So habe ich doch beim Check-in prüfenden Blickes erspäht, dass auf beiden Bordkarten die Buchstaben SSSS vermerkt wurden und unser Gepäck mit einem Standby Label versehen wurde. Mein erster Gedanke war, oh neeeeein, bitte niiiiicht und die Gesichtszüge entglitten mir.
Wisst ihr, was die Buchstaben SSSS auf Bordkarten bedeuten? Nein? Dann erkläre ich euch dies kurz. 4xS auf einer Bordkarte bedeutet, dass man „auserwählt“ wurde, nein, nicht kostenfrei in der Business Class zu fliegen, sondern gesondert kontrolliert zu werden. Wie schön …
Die Buchstaben SSSS übersetzt man als Secondary Security Screening Selection. Warum ausgerechnet wir „auserwählt“ wurden, bleibt ein Geheimnis.
Ich male mir in Gedanken schon sämtliche Horrorszenarien aus, sehe mich schon halbnackt und schlotternd vor Angst vor einem Beamten stehen – na gut, ich übertreibe ein wenig. Schlussendlich war das Ganze kein Drama – nur nervig. Wir haben sage und schreibe 7x unseren Reisepass vorzeigen und mehrfache Fragen über uns und unseren Aufenthalt beantworten müssen. Zudem wurde unser gesamtes Gepäck inkl. Handgepäck „auseinandergenommen“. Aber da wir ja brave Bürger sind, hatten wir nichts befürchten…
Ich fliege des Öfteren in die USA aber so ein Prozedere ist mir noch nicht untergekommen. Wie auch immer, wir wollen ja verreisen und jammern hilft nicht.
Gespannt warte ich auf den Abflug der Maschine, es tut sich nichts. Warum? Ich höre ein Geflüster unter den Flugbegleitern und muss lachen. Einer der Busfahrer, der die Passagiere zum Flieger bringen sollte, da die Maschine auf einer weit entfernten Außenposition steht, hat sich scheinbar verfahren. Ei ei ei, nun gut, besser als wenn sich der Pilot „verfliegt“.
Als auch die letzten Gäste endlich eintrudeln, soll es losgehen – es soll, tut es aber nicht. Was ist denn nun schon wieder, frage ich mich?! Es raschelt und der Kapitän meldet sich, die Bordcomputer seien abgestürzt und er müsse einen Restart machen. Langsam frage ich mich ob ich nicht das nächste Mal mit dem Zug in den Schwarzwald fahren soll… aber nein, Florida hat einen Teil in meinem Herzen in Besitz genommen und dafür nehme ich doch gerne einige Unwägbarkeiten in Kauf.
Über 10 Stunden später bekomme ich Gänsehaut und das liegt nicht am Flugzeugessen. Das Flugzeug ist im Landeanflug und meine Emotionen spielen verrückt, ich freue mich wie Bolle, wieder hier zu sein – Welcome home!
Was ist ein Urlaub in den USA ohne einen Mietwagen? Für mich kaum vorstellbar also nach der problemlosen Immigration ab zum Mietwagenschalter. Im Geiste sehe ich mich schon in einem Ford Mustang Cabrio sehen, ein Auto, was ich sichtlich liebgewonnen habe.
Doch moment, ich sehe gar keinen Mustang – auf mich wartet überraschenderweise ein rotes VW Beetle Cabrio – echte deutsche Wertarbeit. Im ersten Moment bin ich etwas enttäuscht aber der ein oder andere würde das wohl als „Jammern auf hohem Niveau“ einstufen.
Obwohl es bereits stockdunkel ist, fahren wir offen und bei angenehm warmen Temperaturen zu unserer Unterkunft, einem Appartement direkt am Meer am südlichen Ende von Fort Myers Beach, in direkter Nähe zum Lovers Key State Park. Die Lage, ein Träumchen …
Szenenwechsel – Es ist kurz nach 6h morgens und meine Füße graben sich in den kühlen Sand. Es ist noch dunkel, der Mond steht am Himmel, unter ihm leuchtet ein heller Stern. Ganz langsam erwacht der Tag zum Leben und ich bin geradezu euphorisch, dass ich es geschafft habe, um diese Uhrzeit auf zu sein.
Ich gehe mit meinem Kaffeebecher am menschenleeren Strand entlang, der Himmel verfärbt sich und das dunkle Blau weicht einem sanften Lila und gleißendem Orange. Die ersten Adler ziehen Ihre Kreise auf der Suche nach einem saftigen Frühstück und auch die Pelikane fliegen in Reih und Glied am purpurnen Himmel. Die Sonne geht langsam auf und die ersten Strahlen spiegeln sich im Wasser, meine Blicke bleiben an den Seesternen und den von der Natur perfekt geformten Muscheln haften, die am Ufer liegen – was für ein schönes Fotomotiv!
Kaffee schlürfend gehe ich weiter am Strand entlang, ich sage euch, es ist Balsam für die gestresste Seele und der perfekter Tagesanfang.
Apropos perfekt – was ist ein Aufenthalt ohne den Besuch des kleinen Eilandes Sanibel?! Ihr kennt Sanibel nicht? Mensch, dann nichts wie hin …
Ich sitze im Cabrio, der leichte Wind zerzaust meine Haare. Von unserer Unterkunft fahre ich über Fort Myers Beach und den Sanibel Causeway auf das kleine Inselchen. So ein bisschen ist der Weg schon das Ziel, denn die Fahrt über den Sanibel Causeway, eine über dem Meer erbaute Brückenkonstruktion, ist schon ein Highlight für sich. Blau glitzert das Wasser zur Linken, blau glitzert das Wasser zur Rechten, stahlblau der Himmel über mir und ich mittendrin. Freiheit … ich bin so gut gelaunt, dass ich die Musik lauter stelle und mitsinge – lacht jetzt nicht, manchmal überkommt es mich einfach und außerdem kennt mich hier ja niemand. Meine Mama ist diese Ausbrüche schon gewohnt und singt mit, wir sind ein perfektes Team.
Auf dem Causeway gibt es mehrere Haltemöglichkeiten mit kleinen Stränden für ein Picknick, ich stoppe und lege eine kleine Fotosession ein – Cabrio vor Palmen, Strand und azurblauem Wasser – genau mein Ding.
Auf Sanibel ist mein Favorit der Bowman`s Beach, ein phantastischer, aus Muscheln bestehender Strand. Dadurch, dass der Strand etwas abseits liegt und das Parken einem preislich „die Schuhe auszieht“, ist es hier meist recht leer. Wandert man ein Stück nach rechts, so begegnet man in der Regel höchstens noch ein paar Vögeln, die sich hier aufgrund der Einsamkeit genauso pudelwohl fühlen, wie ich – spontan fällt mir Harry Belafontes Song ein: „This Is My Island In The Sun“ …
Nächster Schauplatz. Heute beschließen wir nach Naples zu fahren, ein fast schon italienisch angehauchtes Örtchen, welches südlich von Fort Myers Beach liegt.
Naples ist ein recht wohlhabendes Fleckchen Erde, kleine, edle Boutiquen und wunderschöne Villen reihen sich hier an der bekannten 5th Avenue aneinander, jetzt zur Weihnachtszeit liebevoll geschmückt. Ab und zu werfe ich einen Blick hinein, es bleibt beim „Window Shopping“…
Wo ich allerdings nie vorbeikomme ohne Anzuhalten und, oh Schreck, auch den ein oder anderen Dollar springen zu lassen, ist der Laden „Best Of Everything“. Wie der Name schon vermuten lässt, gibt es hier jede Menge Krempel, den man eigentlich nicht braucht, oder doch?! Mit einer Tüte schöner Silberschmuckanhänger und einem leichteren Portemonnaie, verlasse ich das Etablissement und begebe mich Richtung Strand, der direkt an die 5th Avenue angrenzt.
Und was soll ich euch sagen? Die schönsten Momente sind unbezahlbar. Ich trete auf den blendendweißen Sand, schaue aufs Meer und just in diesem Augenblick wagt sich ein Delfin aus dem Wasser und er „begleitet“ mich auf meiner kleinen Strandwanderung. Jedes Mal, wenn die Finne aus dem Wasser ragt, gerate ich in Verzückung – kein Scherz!
Das übrigens kommt hier in Southwest Florida häufiger vor …
Auf dem Nachhauseweg dann die Ernüchterung. Die Motorkontrolllampe unseres Fahrzeuges leuchtet mir warnend orange entgegen und geht auch nach mehrmaligem Abschalten des Motors nicht mehr aus. Wie war das noch: „Gute deutsche Wertarbeit?“ Das fehlt mir gerade noch. „Was tun sprach Zeus?“
Da ich mit dem Fahrzeug nicht irgendwo in der Pampa liegen bleiben möchte, beschließe ich, zur Mietwagenstation am Airport zu fahren und das Fahrzeug zu tauschen. Ich bin skeptisch. Wie lange wird es dauern, ist noch ein anderes Cabrio für mich verfügbar und hoffentlich verreckt die „scheiß Karre“ nicht auf dem Weg – sind die Dinge, die mir gerade durch den Kopf gehen.
Aber alles easy im Sunhine State! Ich fahre zur Fahrzeugrückgabe, man notiert den technischen Defekt und sagt mir, ich könne mir ein neues Fahrzeug aussuchen. Ein netter, junger Mann kommt auf mich zu, fragt mich, ob ich vorher einen Mustang hatte. Als ich verneine und ihm von dem Beetle erzähle, verzieht er das Gesicht und sagt nur „uurgh Beetle – here we have some Mustangs for you“.
Mein „Cabrioherz“ schlägt höher, der Tag ist mehr als gerettet und ich sitze wieder in meinem heiß geliebten Flitzer und trete aufs Gas – na gut, mit maximal 70 Meilen „tuckere“ ich auf dem Interstate davon.
Der nächste Morgen – es fröstelt mich ein wenig. Zwar hat Frau Holle hier nicht Einzug gehalten aber es ist empfindlich kühl, so dass wir beschließen, uns ins „Schlechtwetterprogramm“ zu stürzen und ein paar Dollars auszugeben – wir müssen ja auch schließlich die amerikanische Wirtschaft unterstützen.
Und was gibt es in den USA wie Bäume im Wald? Richtig – Shopping Malls. Nachdem wir unsere Shoppinggelüste befriedigt haben, ist auch die Wärme wieder zurück. Das nennt man perfektes Timing.
Den Rest des Tages verbringen wir an unserem „Hausstrand“ mit dem Bau eines Schnee bzw. Sandmannes; das wollten wir im Winter in Florida schon immer einmal machen.
Pünktlich zum Sonnenuntergang, den wir aufgrund der phantastischen Lage unserer Unterkunft ebenfalls sehen können, sind wir fertig. Mit einem „Sundowner“ in der Hand, warten wir, bis die Sonne glutrot im Meer versinkt …
Szenenwechsel – nach dem Frühstück ist vor dem Frühstück. Mich plagt ein kleines Hüngerchen und ich beschließe dem kleinen Laden „Heavenly Biscuit“ einen Besuch abzustatten. Hier, so habe ich mehrfach gelesen, soll es die leckersten Naschereien geben.
Mit einer Tüte voller Banana Bread Pudding, dessen Duft wirklich „heavenly“ ist, fahre ich nach Fort Myers Beach zum Pier. Eine solche Leckerei soll man schließlich auch nur in entsprechender Umgebung genießen. Es ist noch früh am Morgen und Fort Myers Beach quasi noch ausgestorben – herrlich, Mom und ich lieben diese einsamen Momente. Dass ist das Schöne, wenn man im Dezember (und vor Weihnachten) verreist, es ist nirgendwo voll von Menschen und man kann die Einsamkeit genießen.
Am Pier falle ich über meinen Brotpudding her, nur neugierig beäugt von den Pelikanen, die mich mit großen blauen Augen fokussieren. Wollen die etwa etwas abhaben? Von wegen, alles meins!
Obwohl ich bei diesen wundervollen Tierchen fast schwach geworden wäre…
Abschiedsschmerz – die Reise geht dem Ende entgegen. Ein letztes Mal wandern wir am Strand von Lovers Key entlang, „meinem persönlichen“ Paradies auf Erden. Ganz sanft schlagen die Wellen ans Ufer, türkis schimmert das klare Wasser. Was ich an Lovers Key so verführerisch finde ist die Tatsache, dass es hier keine Häuser gibt. Dreht man sich um 180°, dann blickt man auf das Grün der Bäume und die Nester der Adler.
Ich bücke mich, denn ich sehe auf einmal einen Sand Dollar am Ufer liegen, ein wunderschönes Andenken an den fantastischen Urlaub. Moment. Da liegt ja noch einer und da vorne auch – die Sand Dollar liegen hier wie anderswo Sand am Meer. Ich bin begeistert. Falls sich einer fragen sollte, was zum Geier ein Sand Dollar ist, hier die Auflösung: Der Sand Dollar gehört zur Gattung der Seeigel, ist ein flaches, rundes Gebilde aus Kalk, verziert mit einer Art Stern oder Blüte – ach was, seht selbst:
Zum letzten Mal sehen wir die Delfine spielen, mein Herz wird schwer.
Letzter Akt – kein Schneesturm, keine Gewitterfront und kein Hurricane hatte „Gnade“ mit uns. Mit einer nur halbstündigen Verspätung hebt unser Flieger ab Richtung Heimat, ich bin traurig.
Aber was soll ich euch sagen, der nächste Urlaub kommt bestimmt …
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