Während die Kühe schon langsam dem Almabtrieb entgegenfiebern, überkommt mich mal wieder der Almtrieb – meine alljährliche Solotour durch die Berge steht an.

Fragend sitze ich in meiner ersten Unterkunft in Mieming und schaue besorgt aus dem Fenster. Die Fahrt hierher nach Österreich war eher ein Albtraum als ein Traum, denn ich habe mich alleine 10 Stunden durch Dauerregen, Nebel und empfindliche Kälte gekämpft und das im September. Als ich die ersten Berge am Horizont erspähe, sind nicht nur die Spitzen weiß gepudert – irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt.

Der Plan: die Dolomiten und Umgebung kennenzulernen

Mein Plan, am nächsten Tag über die Timmelsjoch-Hochalpenstraße von Österreich nach Italien in die Dolomiten zu fahren, drohte nicht nur zu scheitern – er scheiterte tatsächlich, denn just in diesem Moment wurde der Pass wegen heftigem Schneefall gesperrt.

Und jetzt sitze ich hier etwas verdutzt in meinem Zimmerchen, hatte ich mir doch vorgestellt, bei blauem Himmel und Sonne mit meinem ‚Cabriöchen‘ über die Kurven zu „fliegen“ – nun gut, alle Gebete halfen nichts, eine Alternative musste her.

Die Bergpässe in den Dolomiten

Die Bergpässe in den Dolomiten

Die Stimmung: zunächst passend zum Wetter auf dem Gefrierpunkt

Und so kam es, dass ich am nächsten Tag bibbernd in meinem Auto saß und Richtung Brennerautobahn fuhr, meine Laune schloss sich den Temperaturen an, war mehr oder weniger auf dem Gefrierpunkt.

Irgendwann merke ich, dass die Temperaturen steigen und zwischen der grauen Suppe am Himmel immer mal wieder blaue Flecken erscheinen und die Sonne hervorlugt – es kribbelt schon in meinen Fingern, kurze Zeit später werfe ich doch tatsächlich das Verdeck nach hinten und spüre den Fahrtwind in meinem Gesicht – juhu.

Das Ziel:  die Hochabtei, auch Alta Badia genannt

Mein Ziel für die nächsten Tage sind die Dolomiten, genauer gesagt das HochabteitalAlta Badia. Hier, im Örtchen La Villa, habe ich mir eine schöne Ferienwohnung als Quartier gebucht.

Ja, die Dolomiten, immer wenn ich an sie denke, bekomme ich „Bergweh“ – und was ist das sicherste Mittel gegen „Bergweh“? – ein Tag in den Bergen oder auch zwei oder drei …

Die Hochebene Alta Badia

Die Hochebene Alta Badia

Fast alleine auf  dem Lagazuoi

Frei nach dem Motto „Gib einem Mädchen die richtigen Schuhe und sie kann die Welt erobern“, stehe ich am nächsten Tag in der Seilbahn und fahre auf den „Lagazuoi“, ein anspruchsvoller Berg mit reichlich Geschichte – „ain’t no mountain high enough“ …

Ich hatte mir eine ausgedehnte Tour zusammengebastelt, die mich an ehemaligen Kriegsstellungen vorbei durch die dramatische Kulisse der Dolomiten führen sollte bis hinunter zur Talstation …

Jetzt aber stehe ich auf knapp 2800 m Höhe und blicke in ein weißes „Nichts“, vor mir sehe ich weite Schneefelder, links neben mir Schnee, rechts neben mir Schnee – Schnee everywhere – kein Wunder, dass ich mehr oder weniger der einzige Gast in der Seilbahn gewesen bin.

Da ich hier am Lagazuoi schon einmal gewesen bin und den ersten Teil des Weges kenne, wage ich mich mit Stöcken bewaffnet durch die Schneemassen – hui, ganz schön abenteuerlich hier, vor allem, weil es gerade steil nach unten geht.

Ich trotze der Kälte

 

Snow everywhere on Lagazuoi

Snow everywhere on Lagazuoi

Gute Vorbereitung ist alles…

An einer Wegkreuzung wage ich einen Blick auf meine Tourenkarte und stelle mit Erschrecken fest, dass ich eine falsche Karte eingepackt habe – ich Depp, dabei ist Vorbereitung doch die halbe Miete…

Fragend blicke ich in alle Himmelsrichtungen, kann den beabsichtigten Weg nicht erkennen – umkehren kommt für mich aber nicht in Frage, denn der Weg nach oben ist viel zu steil. Ein Blick auf mein Handy erlöst mich aus meinem Schlamassel, denn ich habe hier vollen Empfang und informiere mich online über die Wegstrecke.

Kleine Schätze am Wegesrand

Ich entschließe mich, die Tour kurzfristig zu ändern, denn mein eigentlicher Plan erschien mir angesichts der Wetterverhältnisse dann doch etwas zu gewagt – man muss flexibel bleiben.

Und so kommt es, dass ich direkt dem Tal entgegengehe – langsam klart es auf, blauer Himmel und Sonne kommen zum Vorschein und mich umgibt eine magische Landschaft. Bizarre Felsformationen, wohin das Auge reicht, ja, so kenne ich sie, „meine Dolomiten“ – so liebe ich sie.

Zu meinem persönlichen Glück erspähen meine Augen auch noch ein Edelweiß, eine Alpenblüte, die man nicht alle Tage zu sehen bekommt…

Nicht nur Edelweiß findet man am Wegesrand - auch Kreuzottern gibt es zu sehen

Nicht nur Edelweiß findet man am Wegesrand- auch Kreuzottern gibt es zu sehen

Ein zartes Edelweiss

 

Mit dem Cabrio der Sonne entgegen

Szenenwechsel. Es ist nachmittags und ich bin gerade von einer anderen Wanderung zurückgekommen, habe meine geschundenen Füße auf ein Kissen gebettet und genieße ein Stück Apfelstrudel – aber wer mich kennt, weiß, dass ich manchmal eine gehörige Portion Hummeln im Popo verspüre.

Und so kommt es, dass ich mich mit einer Thermoskanne Kaffee und einer Brotzeit bewaffne und beschließe, mit meinem „Cabriöchen“ dem Sonnenuntergang entgegenzufahren – natürlich auf einem der spektakulären Bergpässe, denn: „Happiness is a car and an open road“.

Ich liebe es antizyklisch zu reisen, denn um diese Zeit, wenn die Sonne langsam dem Mond weicht, ist man mit sich und der Welt alleine und spürt einfach diese Magie der Einsamkeit.

Mein kleines „Reisemobil“

 

Sonnenuntergang in den Dolomiten

Die Farben des Sonnenuntergangs tauchen die Dolomiten in ein phantastisches Licht, ich sitze auf einem Stein am Valparola-Pass, den Becher Kaffee in der Hand und ich muss schlucken und damit meine ich jetzt nicht den Kaffee – wie schön doch die Welt ist – ich wünschte, meine Augen könnten Fotos machen.

Langsam zieht der Mond auf, es ist Vollmond und er erleuchtet meinen Weg zurück nach Hause, meinem „Zuhause auf Zeit“.

Der Sonnenuntergang am Valparola -Pass

Der Sonnenuntergang am Valparola -Pass

Der Valparola-Pass: ein geschichtsträchtiger Ort

Apropos Valparola-Pass – hier am Pass steht man quasi auf blutgetränktem Boden, denn er war Teil der Dolomitenfront. Hiervon zeugt auch das Werk Tre Sassi, eine alte, von den Italienern im 1. Weltkrieg zerstörte, österreichische Festung, der man unbedingt einen Besuch abstatten sollte. Sie wurde liebevoll restauriert und zeigt dem Besucher, welche Tragödie sich hier in den Dolomiten abgespielt hat – die Geschichte stirbt nie!

Die Festung Tre Sassi

Die Festung Tre Sassi

Die „Drei Zinnen“ entdecken

Nächster Tag – „im Frühtau zu Berge wir zieh´n, fallera“ – eigentlich wollte ich heute früh aufstehen, denn geplant war eine Rundwanderung um die „Drei Zinnen“, das UNESCO Welterbe in den Dolomiten. Aber nix ist mit „Frühtau und fallera“ – irgendwie hat das mit dem frühen aufstehen nicht so wirklich geklappt – ein guter Spruch aber besagt: „Wenn der Plan nicht funktioniert, dann ändere den Plan.“

Ich werfe mir also ein paar Eier in die Pfanne und frühstücke erst einmal gemütlich – habe ja schließlich Urlaub. Danach mache ich mich auf den Weg, fahre genüsslich Kurve um Kurve den Drei Zinnen entgegen, der Weg alleine über die Bergpässe ist schon eine Wonne.

An der Mautstraße dann die Ernüchterung, ich stehe im Stau – aber ich bin ja selbst schuld, weil ich zu spät aufgestanden bin …

Der Valparola-Pass auf dem Weg zu den Drei Zinnen

Der Valparola-Pass auf dem Weg zu den Drei Zinnen

Der Herrgott in den Bergen

Kurz nachdem ich die Maut entrichtet habe und auf das „Go“ warte, nach „oben“ fahren zu dürfen, stellt der Parkplatzwächter ein Schild auf, dass es „oben“ keine Parkplätze mehr gebe – oh je, denke ich mir, wenn das mal gut geht und nein, ich habe doch gerade schon 30,- € für die Auffahrt bezahlt …

Gott sei Dank, war der Herrgott auf meiner Seite und ich finde noch ein Plätzchen und mache mich auf den Weg.

Die Drei Zinnen: die Natur kann was

Die Drei Zinnen sind ein Meisterwerk der Natur; ich bin schon einmal hier gewesen und komme doch aus dem Staunen nicht mehr raus. Jeder Blickwinkel ist ein Genuss und ich muss aufpassen, nicht zu stolpern, weil ich meinen Blick einfach nicht abwenden kann – ich genieße die Drei Zinnen mit allen Sinnen.

Die Drei Zinnen sind ein Meisterwerk der Natur

Die Drei Zinnen sind ein Meisterwerk der Natur

Wieder „Hummeln im Popo“

Ich verbringe hier in den Dolomiten wunderbare Tage, kraxle auf mehrere Berge und „teste“ mit meinem Cabriöchen den Straßenbelag der Pässe – Tornante (Kehre) ist ja mittlerweile zu meinem Lieblingswort mutiert…

„Getrieben“ – ich wäre nicht ich, wenn ich nicht wieder im Auto sitzen würde. Die Welt ist so schön, dass ich mehr von ihr sehen möchte.

Der Weg nach Malta führt von Italien nach Österreich

Mein Weg führt mich weiter nach Malta. Nein, nicht Malta, die Insel im Mittelmeer, sondern Malta in Kärnten. Ich muss zugeben, dass ich vor meiner Routenplanung auch nicht wusste, dass es noch ein weiteres Malta gibt aber man lernt ja nie aus.

Ziel ist die Malta Hochalmstraße und damit das Malta Berghotel an der Kölnbreinsperre. Eigentlich müsste ich Petrus auf Knien danken, denn seit der Fahrt am Brenner habe ich gutes Wetter und auch heute ist es wolkenlos.

Der Weg nach Malta führt mich wieder über den Staller Sattel von Italien nach Österreich und weiter durch das liebliche Defereggental. Schon im letzten Jahr bin ich diese Route gefahren allerdings in entgegengesetzte Richtung.

Ein besonderes Berghotel in Malta

Die Malta Hochalmstraße ist ein Genuss für Asphaltliebhaber, gut ausgebaut, in einer bezaubernden Landschaft der Hohen Tauern. Das Berghotel sucht seinesgleichen …

„I never get lost in the moutains, it is where I found myself“ – getreu nach diesem Spruch, mache ich mich wieder auf den Weg und wandere entlang der Kölnbreinsperre – heute ist es unendlich warm und ich komme ganz schön aus der Puste. Das Panorama aber ist einfach gigantisch hier, so dass ich Schritt um Schritt weitergehe, nur unvermittelt stoppe, weil plötzlich eine Baby-Kreuzotter meinen Weg „kreuzt“.

Das imposante Berghotel in Malta

Das imposante Berghotel in Malta

Die Ruhe nach dem Touristensturm: die Kölnbreinsperre

Nächster Akt. Die Sonne ist untergegangen, die Tagestouristen sind verschwunden und die ersten Sterne flammen am tiefblauen Himmel auf. Kurze Zeit später glühen Sie um die Wette und mich umgibt eine magische Stille – dieser Ort braucht mich, ich spüre es!

Nicht nur ich finde die Gegend um die Kölnbreinsperre faszinierend, sondern auch Richard Hammond (bekannt aus Top Gear), der hier gerade mit seiner Crew für seine neue Serie dreht und mit mir quasi das Hotel ‚teilt‘.

Abendstimmung an der Kölnbreinsperre

Abendstimmung an der Kölnbreinsperre

Abschied von den schroffen Bergen in Bad Kohlgrub

Die schönen Tage im Maltatal gehen dem Ende zu, auf dem Weg in Richtung Heimat mache ich noch einen Stopp in Bad Kohlgrub, in Bayern. Ein wunderbares Chalet nenne ich für drei weitere Tage mein Eigen.

Die Berge sind zwar zu meinem Leidwesen nicht mehr ganz so dramatisch aber trotzdem gefällt mir die Gegend. Der Ort allerdings – sorry ihr „Bad Kohlgruber“ – fällt in die Kategorie: „hier möchte ich nicht tot über dem Zaun hängen“ – irgendwann scheint hier die Zeit stehengeblieben zu sein und das nicht im positiven Sinne.

Nach der Reise ist vor der Reise

Mein letzter Tag auf meiner Tour führt mich in das Murnauer Moos – ich wusste bis dato gar nicht, dass Deutschland solch tolle Facetten an einem Fleck aufweisen kann. Wieder bin ich fast ganz alleine und wandere über 12km durch Moos, Feuchtwiesen und Wälder und beginne schon im Geiste, eine neue Tour zu planen, denn:

REISEN IST DIE SEHNSUCHT NACH DEM LEBEN!